DPMA | Hedy Lamarr - erfinderische femme fatale (2024)

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DPMA | Hedy Lamarr - erfinderische femme fatale (1)

Hedy Lamarr 1944 in "The heavenly body"

Erfinderische "femme fatale"

Hollywood-Star, „schönste Frau der Welt“, Erfinderin: Hedy Lamarr war eine der schillerndsten Frauen des 20. Jahrhunderts. Sie verkörperte das Schönheitsideal ihrer Zeit, war ein skandalumwitterter Superstar - und Autorin eines visionären Patents.

Hedwig Eva Maria Kiesler wurde am 9. November 1914 als Tochter eines Bankdirektors und einer Konzertpianistin in Wien geboren. Schon mit fünf Jahren soll sie eine Spieluhr auseinandergenommen haben, um zu verstehen, wie sie funktioniert. Das wilde Kind wurde Schauspielerin und drehte schon bald mit Stars wie Heinz Rühmann. Dann wurde sie mit einem Film schlagartig berühmt – und berüchtigt: Im tschechischen Film „Ekstase“ von 1933 war Hedwig Kiesler hüllenlos zu sehen – die erste Nacktszene in einem Spielfilm! Für noch mehr Erregung sorgte aber eine andere Szene in diesem Film mit einer Close-Up-Aufnahme ihres Gesichts, in der sie einen Orgasmus zu erleben scheint. Der Skandal war perfekt, die Kirche schäumte und der Film wurde zumeist nur gekürzt oder gar nicht in den Kinos gezeigt („Ekstase“ von Gustav Machatý ist übrigens – trotz des reißerischen Titels und der pikanten Szenen – eine sensible Beziehungstragödie.)

Flucht nach Hollywood

Im gleichen Jahr heiratete Kiesler den Rüstungsfabrikanten Fritz Mandl, der mit den faschistischen Größen seiner Zeit verkehrte und sie bei sich zuhause empfing. In diesen Salons wurde oft über Waffentechnik gesprochen (Lamarr-Skeptiker meinen, dabei habe sie wohl den einen oder anderen Brocken Fachwissen „aufgeschnappt“). Mandl versuchte stets, Geschäfte mit Hitler-Deutschland zu machen, obwohl er (ebenso wie Kiesler) jüdische Wurzeln hatte. Außerdem war er sehr eifersüchtig, hielt seine schöne junge Frau wie eine Gefangene, verbot ihr die Schauspielerei und bemühte sich, alle Kopien von „Ekstase“ verschwinden zu lassen.

1937 brach Hedwig Kiesler aus, verließ ihren Ehemann (fünf weitere sollten noch folgen) und machte sich auf den Weg, um Hollywood zu erobern. Mit dem Rückenwind des „Ekstase“-Skandals gelang es ihr. Das Studio MGM nahm sie unter Vertrag, verpasste ihr den Künstlernamen Hedy Lamarr und vermarktete sie als „schönste Frau der Welt“. Sie spielte an der Seite von James Stewart und Clark Gable, verdiente viel Geld und wurde zur Stil-Ikone. Disney soll sein „Schneewittchen“ nach ihrem Vorbild gestaltet haben, auch die Comicfigur „Catwoman“ wurde durch sie inspiriert. Kurz: Sie war der Glamour in Person. Aber das schien ihr nicht viel zu bedeuten: „Jedes Mädchen kann glamourös sein“, sagte sie. „Du musst nur still stehen und dumm dreinschauen“.

Die Diva und der Komponist

Italienisches Plakat für "I cospiratori"

Während des Zweiten Weltkriegs war Lamarrs Hollywood-Karriere auf ihrem Höhepunkt, aber sie „wollte nicht einfach nur dasitzen und viel Geld verdienen, wenn die Welt in so einem Zustand ist“, erinnerte sich George Antheil später. Der exzentrische Komponist Antheil, das „enfant terrible“ der amerikanischen Musikszene, war mit der ebenso umjubelten wie umstrittenen Uraufführung seines „Ballet Mécanique“ in Paris 1926 über Nacht zu einem der bekanntesten Komponisten seiner Zeit geworden. In diesem Schlüsselwerk der Moderne sollten (neben viel Schlagwerk, Propellern und Sirenen!) eigentlich 16 mechanische Klaviere synchronisiert mit einem Film eingesetzt werden, was aber technisch nicht funktionieren wollte. Genau dieses Problem der Synchronisierung, das Antheil und Lamarr ausführlich diskutierten, führte zu ihrer Erfindung (es kursieren noch andere Versionen der Vorgeschichte des Patents; diese dürfte aber die plausibelste sein).

Die Diva und der Filmkomponist meldeten am 10. Juni 1941 ein „Secret Communication System“ in den USA zum Patent US 2292387A an. „Ziel der Erfindung ist es, eine Methode der geheimen Kommunikation bereitzustellen, die relativ einfach und zuverlässig im Betrieb ist, aber gleichzeitig schwer zu entdecken oder zu entschlüsseln ist“, schreiben die Erfinder. Es handelte sich um eine Funksteuerung für Torpedos.

Vom mechanischen Klavier zur Torpedo-Steuerung

Lamarr im Film "Comrade X", 1940

Dieses Funksteuerungssystem „verwendet ein Paar synchroner Datensätze, einen an der Sendestation und einen an der Empfangsstation, die von Zeit zu Zeit die Abstimmung der Sende- und Empfangsvorrichtung ändern, so dass ein Feind ohne Kenntnis der Datensätze nicht in der Lage wäre, festzustellen, mit welcher Frequenz ein Steuerimpuls gesendet wird. Darüber hinaus erwägen wir, Datensätze des seit vielen Jahren in mechanischen Klavieren verwendeten Typs zu verwenden, der aus langen Papierrollen mit Perforationen besteht, die in einer Vielzahl von Längsreihen entlang der Lochkarten unterschiedlich positioniert sind".

Lamarr und Antheil hatten also die Problematik der zu synchronisierenden Pianolas mit ihren Lochkartenstreifen so konsequent weitergedacht, dass sie das Frequenzsprungverfahren erfanden: Sie beschrieben eine Lösung, wie der Funkleitsender und der Empfänger im Torpedo gleichzeitig von Frequenz zu Frequenz springen konnten, was es einem Feind unmöglich machte, die Funkverbindung zu lokalisieren und zu stören – "frequency hopping".

„Lady Bluetooth“

Zeichnung aus US2292387A

Als Autoren von US 2292387 werden „Hedy Kiesler Markey et al.“ benannt (Lamarrs Mädchen- sowie der Name ihres damaligen Ehemannes Gene Markey). Mit dem Frequenzsprungverfahren wiesen die beiden ungewöhnlichen Erfinder der Telekommunikation den Weg in die Zukunft: GPS, WLAN, Bluetooth und Smartphones wären ohne dieses Prinzip praktisch undenkbar. Frequenzsprünge ermöglichen es in drahtlosen Kommunikationssystemen, dass viele Benutzer gleichzeitig mit weniger Signalstörungen kommunizieren. Mehrere Signale können die gleiche Frequenz verwenden; falls eines ausfällt oder blockiert wird, springt es zu einer anderen. Bluetooth-Sender nutzen das Verfahren heute über mehrere Funkkanäle hinweg (Frequenzsprung-Spreizbandtechnik bzw. „Frequency Hopping Spread Spectrum“, FHSS). „Lady Bluetooth“ nannte das Jüdisches Museum Wien daher eine DPMA | Hedy Lamarr - erfinderische femme fatale (7) Ausstellung über Hedy Lamarr.

Die US-Marine, der Lamarr und Antheil damit helfen wollten, die Nazis zu bekämpfen, nutzte das ihr überlassene Patent jedoch nicht. Angeblich fiel dabei der Spruch, man würde „leider kein Klavier in die Torpedos bekommen“. Lamarr wurde angeraten, lieber bei ihren Leisten zu bleiben und ihre Popularität als Leinwandgröße in den Dienst der Sache zu stellen und für Kriegsanleihen zu werben (was sie dann sehr erfolgreich tat).

Späte Ehre

Lamarr soll noch etliche weitere Erfindungen ausgetüftelt haben, aber Patentanmeldungen sind keine weiteren von ihr bekannt. Zehn Jahre nach der Anmeldung von US2292387A kam die US-Marine dann doch darauf zurück, als sie eine „Sono-Boje“ zur Entdeckung von U-Booten entwickelte. Lamarrs Idee wurde aufgegriffen und weiterentwickelt. In der Kubakrise von 1962 waren alle US-Schiffe mit Torpedos bewaffnet, die mit einem "frequency-hopping"-System gesteuert wurden. Der Rest ist Technikgeschichte.

Lamarr und Antheil, der 1959, im Auslaufjahr ihres Patents, starb, verdienten keinen Cent mit ihrer Erfindung. Auch die Ehre stellte sich erst sehr spät ein. Jahrzehnte nach dem Ende ihrer Leinwandkarierre, als sie einsam und zurückgezogen in Florida lebte, erhielt Hedy Lamarr 1997 den Electronic Frontier Foundation Pioneer Award. Lange nach ihrem Tod am 19. Januar 2000 wurde sie 2014 posthum in die National Inventors Hall of Fame aufgenommen; Google widmete ihr 2015 ein Doodle an ihrem Geburtstag. Ihr Geburtstag, der 9. November, wird in den deutschsprachigen Ländern vereinzelt als „DPMA | Hedy Lamarr - erfinderische femme fatale (8) Tag der Erfinder“ begangen – zu Ehren einer der ungewöhnlichsten Erfinderinnen aller Zeiten.

Freie Erfinder im Fokus

Was hat Hedy Lamarrs Frequenzsprungverfahren mit dem Spreizdübel, dem Schraubstollenschuh oder dem spezialgefalteten Stadtplan gemeinsam? Es sind wegweisende Erfindungen, die nicht aus der Entwicklungsabteilung eines Unternehmens stammen, sondern von unabhängigen Tüftlern und Tüftlerinnen, die sie unter eigenem Namen zum Patent anmeldeten. Den freie Erfinderinnen und Erfinder widmet das Deutsche Patent- und Markenamt auf seiner Website eigene Sonderseiten.

Text: Dr. Jan Björn Potthast; Bilder: MGM / Public domain via Wikimedia Commons, DPMAregister, US National Portrait Gallery / Smithsonian, MGM Clarence Bull / Public domain via Wikimedia Commons

Stand: 08.10.2024

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Author: Nathanial Hackett

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